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Geschlechterrollen in Bewegung: „Frauen zurück an den Herd?“

Hintergrund

Traditionelle Geschlechtervorstellungen, einhergehend mit geschlechterstereotypen Arbeitsaufteilungen und ökonomisch ungleichen Realitäten, sind nach wie vor zu thematisieren. Aktuelle, kritisch zu beobachtende Tendezen verdeutlichen dies.

So zeigt sich in Zeiten der Covid-19-Pandemie einmal mehr, wie tief solche Vorstellungen gesellschaftlich verankert sind und welche geschlechtsspezifischen Auswirkungen sie haben, trifft doch gerade in Zeiten von Homework, Distance learning und Lockdowns die Vielfachbelastung Frauen einmal mehr übermäßig stark.1

Zudem propagieren beispielsweise die sogenannten „tradwives“ und deren Anhänger*innen, gerade auch über soziale Medien, ein Frauenbild, das von der Vorstellung einer „natürlichen“ und ausschließlichen Bestimmung der Frau zur Hausfrau und Mutter geprägt ist und an ein Rollenbild aus den 1950er Jahren sowie rechte Ideologien anknüpft.2

Umso wichtiger ist es daher, dass auch Jugendliche sich kritisch mit diesen Themen befassen, Zusammenhänge und Auswirkungen erkennen lernen.

Die folgende Methode thematisiert Wandel und Kontinuitäten im Kontext von Geschlechterrollen und Partner*innenschaft und gibt den Jugendlichen die Möglichkeit, sich auf kreative Art damit auseinanderzusetzen. Die Teilnehmer*innen beschäftigen sich in dieser Übung mit historischen Entwicklungen bzw. den gesetzlichen Rahmenbedingungen in Österreich und deren Einfluss auf Lebensrealitäten rund um den Themenkomplex Gender und Ökonomie. Dadurch, dass sowohl die 1960er Jahre als auch die Jetztzeit als Referenzpunkte herangezogen werden, können Fortschritte, aber auch noch immer existierende Schieflagen und Problemfelder konkret festgemacht und besprochen werden. Der Blick in die Zukunft vermag darüber hinaus, Handlungsbedarf zu erkennen, über notwendige Veränderungen nachzudenken sowie positive Zukunftsvisionen zu entwerfen.

Die Übung ist in Hinblick auf länderspezifische rechtliche Verhältnisse einfach abzuändern.


  1. Vgl. z. B.: Bohrn Mena, Veronika: Die unbemerkte Mulit-Arbeit von Frauen, Online Standard, 13.11.2020, https://www.derstandard.at/story/2000121677282/die-unbemerkte-multi-arbeit-von-frauen

  2. Vgl. z. B.: Windmüller, Gunda: Sogenannte Tradwives werben fürs Hausfrau sein – klingt harmlos, ist es aber nicht. ze.tt, 6.2.2020, https://ze.tt/sogenannte-tradwives-werben-fuers-hausfrau-sein-klingt-harmlos-ist-es-aber-nicht/

Praktische Hinweise

Gruppengröße

Die Übung ist für Gruppen unterschiedlichster Größen geeignet. Je nach Gruppe oder bei sehr großen Gruppen gibt es auch die Möglichkeit, die Geschichten in Kleingruppen zu entwickeln.

Dauer

Materialien

Aufbau und Anleitung

Die Übung besteht aus mehreren Schritten: Einführung in die Übung plus Erklärung der rechtlichten Rahmenbedingungen, Schreiben der Geschichten, die in den 1960er Jahren bzw. der Jetztzeit spielen, Vorlesen, Präsentieren und Diskutieren dieser Geschichten, Entwerfen von und Auseinandersetzung mit Zukunftsvisionen.

Im Jahr 1960

Die Teilnehmer*innen sollen nun zwei fiktive Geschichten schreiben. Die erste Geschichte beginnt mit einer jungen Frau, die im Jahr 1960 in Österreich lebt und einen Mann kennenlernt. Nun sollen die Teilnehmer*innen diese Geschichte fortsetzen. Wie geht diese Geschichte weiter? Dazu sollen die Bereiche Beziehung (z. B. Heirat, Trennung, Scheidung) Ausbildung, Arbeit und Familienplanung berücksichtigt werden.

Dazu erklärt der*die Workshopleiter*in die rechtlichen Rahmenbedingungen, die in Österreich zu dieser Zeit galten:

Aus diesen suchen sich die Teilnehmer*innen für ihre Geschichte die jeweils für sie passenden gesetzlichen Rahmenbedingungen heraus. Es müssen nicht alle verwendet werden, zum Beispiel kann die Vorgabe auch lauten, mindestens drei davon einzubauen.

In der Jetztzeit

Als nächstes schreiben die Teilnehmer*innen eine weitere Geschichte, die in der Jetztzeit spielt. Falls notwendig, kann noch einmal über die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen in diesem Zusammenhang gesprochen werden.

Wer möchte, kann anschließend seine*ihre Geschichte/n vorlesen oder die wichtigsten Punkte bzw. was sie*ihn beim Schreiben beschäftigt hat, erzählen. In der anschließenden Diskussion sollen darüber hinaus Geschlechterbilder und Rechtsgrundlagen der 1960er Jahre mit jenen der Jetztzeit in Kontext gebracht werden.

In der Zukunft

Als weiterer Schritt können Zunkunftsvisionen entworfen werden. Entweder, indem die bereits kreierte Geschichte einmal mehr transformiert oder eine inhaltliche Diskussion darüber geführt wird. Letztere kann zuerst in Kleingruppen oder aber gleich in der gesamten Gruppe stattfinden.

Rechtlicher Hintergrund

Hintergrund für die Übung sind folgende rechtliche Bestimmungen bzw. Gesetzesänderungen in Österreich:

1975: Der Mann ist nicht mehr das Oberhaupt der Familie. Frauen dürfen ohne die Zustimmung des Mannes arbeiten, über den Wohnsitz mitentscheiden und den Familiennamen wählen.

1977: Die „Väterliche Gewalt“ wird abgeschafft. Bis dahin konnte der Mann alleine über die Kinder entscheiden und bekam bei der Scheidung das Sorgerecht. Nun haben Vater und Mutter gleiche Rechte und Pflichten gegenüber den Kindern.

1978: Neuordnung des ehelichen Güterrechtes: im Falle einer Scheidung wird das in der Ehe erworbene Vermögen geteilt, zuvor bekam dieses der Mann.

1989: Unverheiratete Mütter werden verheirateten gleichgestellt. Zuvor war automatisch die Bezirksverwaltungsbehörde Amtsvormund, die Mutter bekam die Vormundschaft nur, indem sie einen Antrag stellte.

1989: Vergewaltigung innerhalb der Ehe wird strafbar.

1990: Die Väterkarenz wird eingeführt.1


  1. Vgl. z. B.: Feigl, Susanne: Factsheet: 150 Jahre Frauenrechte in Österreich. Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Wien: 2016: https://www.lifelong-learning.at/Wordpress/wp-content/uploads/2016/06/Factsheet_Frauenrechte.pdf; Demokratiezentrum Wien: Familienrechtsreform: http://www.demokratiezentrum.org/themen/demokratieentwicklung/1968ff/familienrechtsreform.html; Demokratiewebstatt: Frauenrechte und Gleichberechtigung in Österreich: https://www.demokratiewebstatt.at/angekommen-demokratie-und-sprache-ueben/frauenrechte-und-gleichberechtigung-in-oesterreich

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