WITH YOU*TH

Imagining Identities

Hintergrund

Diese Methode dient dazu, Vorurteile und Stereotype anzusprechen und abzubauen. Grundlage dafür ist eine respektvolle Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten und Lebensentwürfen realer Personen.

,,Imagining Identities“ lehnt sich an ältere Methoden des Projekts out@school1, das sich mit LGBTIQA-Themen und Herausforderungen heteronormativer Gesellschaften auseinandersetzt, an. Poika hat daraus eine Methode entwickelt, die an gegenwärtige geschlechterpolitische Entwicklungen angepasst ist und gleichzeitig das Kernthema, nämlich die Auseinandersetzung mit Zuschreibungen von außen aufgrund des Aussehens einer Person, insbesondere in Bezug auf deren Lebensstil und Geschlechtsidentität, beibehalten.

Indem Fotos von Menschen gezeigt und besprochen werden, die entweder ein von der Mehrheitsgesellschaft für ihr Geschlecht als atypisch betrachtetes Leben führen oder intergeschlechtlich, genderqueer und/oder trans sind, wird ein breites Spektrum an Lebensrealitäten eröffnet, das über die Grenzen einer hetero- und cisnormativen Idee von Geschlecht hinausgeht. Diese vertiefende Methode eignet sich am besten für Gruppen, die sich bereits mit LBGTIQA-bezogenen Begrifflichkeiten und Konzepten befasst haben und bereit sind, sich auf den Prozess einzulassen.

Trotzdem kann dies für Jugendliche ein emotionales Thema sein und verunsichernd wirken, da (binäres) Geschlecht als konstruierte Norm enttarnt wird. Wichtig ist es, eventuelle Unsicherheiten aufzugreifen und zu reflektieren. Der Prozess, der durch diese Übung angestoßen wird, ist ein wesentlicher Schritt in Richtung Dekonstruktion von Geschlechternormen und -stereotypen.


  1. Unterlagen des Schulprojekts out@school/Verein Go West für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans, Inter und Queer, Bregenz, 2010; adaptiert im Rahmen des Projekts WITH YOU*TH.

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LGBTIQA ist eine Abkürzung, die sowohl für nicht heterosexuelle Orientierungen und Präferenzen als auch für nicht-cisgender Identitäten verwendet wird. 1


  1. Australian Government. LGBTIQA+ Communities. Glossary of Common Terms. https://aifs.gov.au/cfca/publications/lgbtiq-communities.

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*intergeschlechtlich = Personen, deren Kombination von Chromosomen, körperlichen sexuellen Merkmalen, Hormonen usw. nicht eindeutig den medizinisch-cisnormativen Kategorien männlich oder weiblich entspricht. Einige intergeschlechtliche Menschen werden nach der Geburt unfreiwillig operiert, um diesen Kategorien zu entsprechen. Die Tatsache, dass eine Person intergeschlechtlich ist, sagt nichts über deren Geschlechtsidentiät oder sexuelle Orientierung aus. mehr…
*Trans steht für transgender und ist ein Schirmbegriff für Personen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. mehr…
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Genderqueer beschreibt Menschen, die sich nicht in einer zweigeschlechtlichen Norm verorten oder Menschen, deren Geschlechter wechseln. Genderqueer kann eine ähnliche Bedeutung wie nicht-binär oder genderfluid haben, die Definition obliegt aber den Menschen, die es betrifft.1


  1. Vgl. Queer Lexikon e.V., 2017, https://queer-lexikon.net/2017/06/15/genderqueer/.

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Cisnormativität, ebenso wie Heteronormativität, beschreibt die Annahme, dass cisgender Personen als normal angesehen werden. Cisgender Personen identifizieren sich mit dem ihnen bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht.1


  1. Čechová, Helena, and Lada Hajdíková. Duhová Příručka pro Vyučující. PROUD: Platforma pro Rovnoprávnost, Uznání a Diverzitu z.s., 2016.

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Praktische Hinweise

Gruppengröße

Die Übung eignet sich für kleine sowie größere Gruppen, von etwa 6 bis 20 Personen. Ist die Gruppe kleiner, so bleibt mehr Zeit pro Gruppe, also pro Bild. Ist die Gruppe größer, können mehr Bilder behandelt werden. Vor allem bei größeren Gruppen macht es Sinn, Kleingruppen zu bilden und am Ende im Plenum zu diskutieren.

Dauer

Materialien

Aufbau und Anleitung

Die Übung findet in drei Schritten statt: Einführung, Kleingruppenarbeit und gemeinsame Diskussion.

Ein möglicher Einstieg ist:

,,In dieser Übung beschäftigen wir uns mit unterschiedlichen Menschen, deren Lebensentwürfen, Geschlechtsidentitäten und Interessen. Ihr bekommt Bilder verschiedener Personen und sollt euch überlegen, wer diese Personen sein könnten, welche Geschlechtsidentität sie haben könnten, was sie beruflich und in ihrer Freizeit machen, wie die Beziehungen in ihren Leben aussehen, wo sie leben, was sie mögen und was nicht, welche Eigenschaften sie haben und was ihr sonst interessant findet. Schreibt alles auf, was ihr euch ausdenkt, damit wir es dann gemeinsam besprechen können. Wichtig ist, zu bedenken, dass es hier um echte Menschen geht, denen wir mit Respekt begegnen möchten. Äußert euch daher bitte nicht verletzend zu deren Aussehen oder Geschlecht.“

Die vorgeschlagenen Fragen können als Hilfestellung dienen. Es kann jedoch auch, je nach Gruppe, interessant sein, keine Fragen vorzugeben und zu vergleichen, welche für eine Identität relevanten Kategorien innerhalb der Kleingruppen gefunden werden und inwieweit und in welcher Form Geschlecht bei den Personenbeschreibungen eine Rolle spielt. Hier fällt in der Regel auf, wie sehr unsere Ideen von Geschlecht durch äußere Merkmale wie Aussehen, Kleidungsstil, Make-up usw. geprägt sind. Dies ist eine gute Chance, Klischees und versteifte Geschlechternormen anzusprechen und gemeinsam mit den Teilnehmer*innen zu dekonstruieren. Hierbei ist es wichtig, dass der*die Trainer*in sich insbesondere mit LGBTIQA-Themen auskennt und in der Lage ist, diskriminierende Aussagen gemeinsam mit den Teilnehmer*innen zu reflektieren.

Sind wenige Teilnehmer*innen, arbeitet jede Person für sich. Ansonsten werden Kleingruppen von 4 bis 5 Personen gebildet. Jede Gruppe darf 1 bis 2 Bilder ziehen. Wenn der*die Trainer*in das Gefühl hat, dass bestimmte Gruppenkonstellationen förderlich, andere jedoch hinderlich sind, ist eine Einteilung durch ihn*sie sinnvoll. Je nach Gruppendynamik kann es mitunter eventuell Konflikte geben oder es kann sein, dass in homogenen Gruppen weniger Diskussionsbedarf vorhanden ist als in heterogenen. Während die Kleingruppen/Einzelpersonen arbeiten, ist es wichtig, unterstützend zur Seite zu stehen, da oft Fragen in Bezug auf Begrifflichkeiten auftauchen oder es sein kann, dass Teilnehmer*innen sich nicht wohl fühlen, da ihnen das Thema nahegeht. Dann ist es wichtig einmal mehr zu betonen, dass nichts Persönliches preisgegeben werden muss.

Sind die Gruppen/Einzelpersonen mit ihren Biografien fertig, kommen alle im Plenum zusammen und präsentieren ihre Ergebnisse. Dann löst der*die Trainer*in auf, stellt die tatsächlichen Biografien der bearbeiteten Bilder kurz vor und leitet zur Diskussion über.

Diskussion

Folgende Fragen können als Ausgangspunkt für die Diskussion dienen:

„Bei der Übung ‚Imagining Identities‘ ist mir schnell klar geworden, dass es wichtig ist, dass die Gruppe ein Vorwissen zu LGBTIQA-Themen hat. Wird mit einer unwissenden Gruppe gearbeitet, so kommt es oft vor, dass die Teilnehmer*innen so überfordert sind, dass sie abwehrend oder desinteressiert reagieren. Um also verachtende Aussagen und verweigernde Haltungen zu vermeiden, macht es Sinn, diese Methode gegen Ende eines Workshopzyklus anzubieten. Klar kann es dann auch passieren, dass Teilnehmer*innen sich abwertend äußern. Da gilt es dann, als Trainerin schnell zu reagieren und zu signalisieren, dass so ein Verhalten nicht in Ordnung ist und Menschen diskriminiert.“

Trainer*in, poika

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