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Ökonomische (Un-)Abhängigkeiten in Beziehungen

Ökonomische Ungleichheiten durchziehen Lebensrealitäten, Lebensbereiche und Lebensalter. Sie sind abhängig von der Kategorie Geschlecht und beginnen früh. So erhalten bereits Mädchen weniger Taschengeld als Buben (laut einer Umfrage um 22 Prozent1). Im Berufsleben sind Frauen auf dem Arbeitsmarkt von horizontaler und vertikaler Segragation betroffen. Das bedeutet, dass sie zum einen seltener als ihre männlichen Kollegen in Spitzenpositionen eingesetzt werden, zum anderen für die gleiche Arbeit deutlich weniger Lohn bekommen. Über Letzteres gibt der Gender Pay Gap Auskunft, der geschlechtsspezifische Ungleichheiten in Bezug auf die Bezahlung deutlich macht: Mit einem Gender Pay Gap von 20,1 Prozent im Jahr 2018 lag Tschechien im EU-Vergleich an dritter, Österreich mit 19,6 Prozent an fünfter Stelle. Die Zahlen verdeutlichen, wie viel Handlungsbedarf auch in dieser Hinsicht besteht.2 Zudem arbeiten Frauen häufiger in Teilzeit, was in Korrelation mit den überproportional verrichteten unbezahlten Reproduktions- und Care-Arbeiten (Hausarbeiten, Kinderbetreuung, Pflegetätigkeiten usw.) steht.

Unter diesen Bedingungen und Einflüssen entstehende Erwerbsbiographien bleiben nicht ohne längerfristige Auswirkungen. So ist die Armutsgefährdung in Österreich bei alleinlebenden Pensionistinnen deutlich höher als bei alleinlebenden Männern im Ruhestand. Das allergrößte Armutsrisiko jedoch haben Alleinerziehende, in der Regel Frauen mit ihren Kindern.3

Vor einem intersektionalen Ansatz verschärft sich die Situation darüber hinaus für bestimmte Gruppen. So hat eine Frau mit einem Namen, der Spekulationen über eine angenommene Herkunft auslöst, deutlich schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt. Trägt diese Frau darüber hinaus ein Kopftuch, hat dies zusätzliche Auswirkungen. Die Diskriminierungen beginnen bereits in der Bewerbungsphase und beeinflussen die Entscheidung, ob eine Person überhaupt zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird oder nicht.4

Weiters ist anzumerken, dass offizielle Statistiken in der Regel auf gesellschaftlich konstruierter Zweigeschlechtlichkeit fußen. Die Diskriminierungen von LGBTIQA-Personen am Arbeitsmarkt werden in diesen Darstellungen ausgeblendet, eine Tatsache, die es ebenso zu thematisieren gilt.5

Ökonomische Abhängigkeiten schaffen Unfreiheiten und erschweren selbstbestimmte Entscheidungen in Beziehungen, so auch den Entschluss und tatsächliche Schritte, sich aus Gewaltbeziehungen zu lösen. Daher gilt es Unabhängigkeiten zu fördern und Wege dorthin aufzuzeigen, um Beziehungen gleichberechtigt(er) gestalten zu können. Freiheiten schaffen Möglichkeiten, Gleichheiten fördern Beziehungen auf Augenhöhe. In diesem Sinne ist die Auseinandersetzung damit eine gewaltpräventive.

Die folgenden Schwerpunkte („Ich plan’ mein Leben: Geschlechternormen, Einkommen und Unabhängigkeit“ sowie „Geld. Macht. Beziehung.“) bieten Methoden, sich gemeinsam mit den Jugendlichen mit diesem Themenkomplex auf individueller, struktureller und gesellschaftlicher Ebene zu beschäftigen und so aktive Schritte für deren Zukunft zu setzen.


  1. Vgl. Hahn, Alexander: Buben erhalten bereits mehr Taschengeld als Mädchen. Der Standard, 12.7.2020: https://www.derstandard.at/story/2000118589333/buben-erhalten-bereits-mehr-taschengeld-als-maedchen

  2. Vgl. dazu z. B.: eurostat. Statistics Explained: Gender pay gap statistics: https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Gender_pay_gap_statistics; statista: Gender Pay Gap: Verdienstabstand zwischen Männern und Frauen in den Ländern der Europischen Union (EU) im Jahr 2018: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/151287/umfrage/gender-pay-gap-in-der-eu-2008/; Statistik Austria: Gender-Statistik: https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/gender-statistik/index.html

  3. Vgl. Statistik Austria: Gender-Statistik.

  4. Vgl. z. B.: lhag: Studie: Schlechtere Jobchancen für Frauen mit Kopftuch. Der Standard, 20.9.2016: https://www.derstandard.at/story/2000044661181/studie-schlechtere-jobchancen-mit-kopftuch

  5. Vgl. z. B.: Schönherr, Daniel u. Martina Zandonella: Arbeitssituation von LSBTI-Personen in Österreich.Endbericht. SORA; AK Wien, 2017: https://www.arbeiterkammer.at/infopool/akportal/Studie_Arbeitssituation_von_LSBTI-Personen_in_O_sterreich.pdf